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Schick, schick, Schickeria

Zum Beispiel im Schwabinger Promitreff Die Klappe. In den Laden kamen wir mit unseren Parkas und langen Matten nie rein. Die Kneipe wurde bald zum Drogenumschlagplatz und geschlossen. So mancher Gast landete in Stadelheim im Knast.
Günther Sigl (Spider Murphy Gang)

München war seit den Sechzigern en vogue, von Subkultur bis High Society, zwischen grantigen Bajuwaren und feister Bürgerlichkeit. Dann kamen Olympiade, Attentat und WM-Endspiel, als die Münchener Achse Weltmeister wurde und die ermordeten israelischen Olympioniken in Vergessenheit gerieten. Nie wieder hat die Furt an der Isar so sehr geleuchtet wie nach dem 7. Juli 1974, als die Truppe von Helmut Schön um Maier, Beckenbauer und Müller, Breitner, Hoeneß und Katsche Schwarzenbeck den Rockstars von Oranje die Tour vermasselt haben.

In der nördlichsten Stadt Italiens schlug man schon immer gerne über die Stränge. Bier ist das Nationalgetränk, weiß-blaues Manna, in den angesagten Clubs und Bars damals aber vom Schickeria-Sprudel (Champagner) abgelöst, Joints machten kokainesken Lines Platz. Welcher Adabei etwas auf sich hielt, kam im Ferrari daher und steckte den Türstehern, die den Laden sauber halten sollten, die Hunnis zu. Der Kaiser war das quotenträchtige Gesicht Münchens, ging in der Isarmetropole ein und aus, auf Jahrzehnte hinaus unschlagbar. Doch mit dem Mauerfall war Berlin plötzlich das neue Darling, die einzige deutsche Metropole übertrumpfte im Märkischen Sand locker den Weißbier-Nabel südlich des Weißwurscht-Äquators mit hipper internationaler Szenerie und großstädtisch-metropolenhaftem Flair.

Die schöne Münchenerin war da nur noch unter ferner liefen, blankes Entsetzen, Minderwertigkeitsgefühle in der südlichsten Stadt des Landes, wo man sich halt für unschlagbar hält. Immer sauber aufgeräumt und herausgeputzt gilt im weiß-blauen Freistaat mehr denn je die gezogene Pistole im lauten Löwengebrüll: „Mia san mia!“ Da wäre der Transrapid, die sündteure Magnetschwebebahn hinaus ins Moos, der passende Ober gewesen, um die neue Hauptstadt auszustechen: „Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München mit zehn Minuten, ohne, dass Sie am Flughafen noch einchecken müssen, dann starten Sie im Grunde genommen am Hauptbahnhof in München, starten Sie Ihren Flug. Wenn Sie vom Flug vom Hauptbahnhof starten – Sie steigen in den Hauptbahnhof ein – Sie fahren mit dem Transrapid in zehn Minuten an den Flughafen, an den Flughafen Franz Josef Strauß“ (Edmund Stoiber, Ex-Ministerpräsident von Bayern, Aufsichtsrat bei den Bayern). Bei so viel funkelnder Zukunft, schillernder Technik und glänzendem Progress, mit dem die Staatsregierung die Menschen zu beglücken versuchte, da passt kein Stück eyepollution mehr dazwischen. Der öffentliche Raum rast vorbei, wird flüchtig, abgehängt in solch‘ wahnwitziger Geschwindigkeit. Im Auge des Flaneurs bleiben nur noch saubere mehrheitsfähige Parolen haften, die uns die Werbung schenkt, in kurzem eingängigem Staccato.