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Mechanik der Öffentlichkeit

Auch (rot-) schwarze Schafe gehören zur Gemeinschaft

In etablierten Medien ist das ja immer so eine Sache: Schere im Kopf, Ausgewogenheit im Sinn, den Betonklotz an den Füßen, bevor der Verantwortliche im Sinne des Presserechts im fränkischen Hudson River versinkt, devot im monopolen Spinnennetz zum Schweigen gebracht oder in welcher Filterblase auch immer aufgelöst. Die Nürnberger Nachrichten klagen „über eine Seuche am Straßenrand, Aufkleberitis genannt“ (17/07/2019) und bringen Mitleid auf, mit der „Stange, die nicht davonrennen konnte, weil sie fest im Boden verankert war“. Unter dem Titel „Bunte Botschaften“ jammert das Blatt: „Doch langsam breitet sich die Seuche auch bei uns aus“. Um schließlich gallig zu polemisieren: „Mal sehen, wann der Erste dieser Vollpfosten im Museum steht …“ Da ließe sich Beifall klatschen im Rhythmus des Kinderreims: „Vollpfostenhände verschmieren Tisch und Wände.“ Man kann sich aber auch leicht zusammenreimen, dass da der kategorische Imperativ droht: „Was man sagt, das ist man selbst.“ Dennoch grummelt der mittelfränkische Medienmogulist schlecht gelaunt, kommentiert ohne die viel gepriesene Ausgewogenheit vor sich hin, und – Achtung, da ist er wieder – der Betonklotz an den Füßen…

Das Fußballportal „Faszination Fankurve“ (*.de) berichtet über die Aufregung, als die Staatsanwaltschaft wegen dreier verklebter Sticker durchgreifen wollte. Vor dem Kadi hat’s nicht einmal zu Sachbeschädigung, Bußgeld oder Strafbefehl gelangt, für unbefugt verändertes Erscheinungsbild gab es 25 Sozialstunden. Die „Rot-Schwarze Hilfe“ (*.de), eine Fanvereinigung des 1. FC Nürnberg, zeigt wenig Verständnis für die 60 aufgelaufenen Arbeitsstunden bei Liegenschaftsamt, Polizei, Staatsanwalt und Gericht (04/2020). Dafür hat’s einen anderen Zeitgenossen, noch halbgar, wesentlich schlimmer erwischt, er kam weit schlechter weg. Als Club-Fan hatte er ebenso einen FCN-Sticker verklebt: 155,99 € gab’s für die Beseitigung des Corpus Delicti und 10 € wegen Radfahrens mit Kopfhörern. In besonderem öffentlichen Interesse hatte die Staatsanwaltschaft den Heranwachsende vor Gericht gezerrt, der Richter statuierte ein Exempel am minderjährigen Angeklagten. Ohne Anwalt redete er frei heraus und wurde dafür auch noch mit einem Stadionverbot bestraft. Die „Rot-Schwarze Hilfe“ (05/2020) kommentiert entgeistert: „Wieder wird ein Fußballfan anders behandelt als vergleichbare Fälle. Oder wie wäre es gewesen, wenn man ADAC-Aufkleber geklebt hätte? Fahrverbot für mehrere Wochen?“