Zum Inhalt springen

Perle des Südens

A visit to Marrakesh was a great shock to me. This city taught me color.
Yves Saint Laurent

Wussten Sie, dass Marokko seinen Namen nur von Marrakech geliehen hat!? Exotik und Pracht aller maurischer, almoravidischer oder alawidischer Herrschaft Pate standen für eine Stadt mit dem Namen „Land Gottes“? Aus dem Tamazight, der Sprache der nordafrikanischen Berber, stammt eine weitere vielsagende Deutung: Durchzugsland. Farbenfroh ist der Ort im Südwesten Marocs auch als Rote oder Ockerstadt bekannt, siehe Titel touristisch und marketingtechnisch optimiert als: Perle des Südens.

Eigentlich liegt Marrakech im Zentrum des Landes, war mal Hauptstadt von Marokko, mal nicht, Kapitale von größeren Reichen oder kleineren. Jetzt ist Marrakech die Königin des Tourismus, verkitschte oder verklärte arabische und Berberkultur als USP, womit wir wieder bei Exotik wären: fremd und romantisch, Geheimnis und Abenteuer, ein bisschen wie in den Märchen aus 1001 Nacht. Klima und Lage am Rand der Wüste, am Fuße des Atlas lockten Künstler, Musiker, Literaten oder Modeschöpfer samt Gefolge nach Marrakech und in deren Sog unweigerlich Millionen von Touristen. Und noch eine Farbe: Majorelle, das mythische Blau des gleichnamigen Malers und Markenzeichen von YSL.

Am Morgen wechselt jede Viertelstunde das Licht in der aṣ-ṣaḥrāʾ al-kubrā, bevor am Nachmittag die Sonne alles auffrisst, und den Himmel in Brand setzt am Abend. Früher ließ sich die Sahara, das Meer ohne Wasser, noch auf vielen Wegen durchstreifen. Heute bestimmen Gangster, Söldner oder Terroristen das Geschehen in Nord- bis Westafrika, auf der Jagd nach Profit und Bodenschätzen halten sie in der großen Wüste ganze Staaten durch Drogen, Waffen und Menschenhandel in Geiselhaft. Bleibt noch Marrakech. Hat man aber genug vom Klischee, gelingt die Flucht aus der Altstadt Richtung Ouarzazate oder Kasbah an die Peripherie zu den den vielen kleinen einheimischen Soukhs wie Rbiâa, Des Epicesin, Al Khire oder Lalla Rkia. In westliche Richtung entkommt man Hektik, Stress und Aufdringlichkeit arabischer Geschäftstüchtigkeit nach Klein-Paris. Postkolonialistischer geht’s zwar nicht, aber im Stadtteil Gueliz nördlich des Bahnhofs lässt sich Maghreb pur finden, die gesamte Bandbreite zwischen Afrika und Europa erleben.