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Ei Guude, wie?

Als man mir das Adelsdiplom gab, glaubten viele, wie ich mich dadurch möchte erhoben fühlen. Allein, unter uns, es war mir nichts, gar nichts! Wir Frankfurter Patrizier hielten uns immer dem Adel gleich, und als ich das Diplom in Händen hielt, hatte ich in meinen Gedanken eben nichts weiter, als was ich längst besessen.
Johann Wolfgang von Goethe

Frankfurt ist das bessere Berlin. Diese Faustformel schleudern die Stadt, ein Neu-Frankfurter und ich den Leuten schon eine ganze Weile mitten in the face, wenn die Diskussion wieder einmal auf feuilletonistisches Niveau abgesackt ist. Ganz abgesehen, dass Bembeltown schon eine oder mehrere Ewigkeiten lang nervt, warum ich nie aus Nürnberg weggezogen wäre. Eine unendliche Geschichte. Die (mögliche) Antwort finden Sie hier auf eyepollution.com beim Spaziergang des Flaneurs von Köpenick zum Bahnhof Zoo (eyepollution.com/Köpenick – Zoo/2. Nürnberg – Berlin). Angesichts des Touristengedrängels im sommerlichen Überlaufbecken Berlins scheint was dran an der einleitenden Bemerkung. Goethe jedenfalls hat sich als Frankfurter und ebenso alter Kenner der dialektischen Wahrheit einfach nach beiden Seiten abgesichert, vielleicht hat er angesichts der Provinzialität von grüner Soße, Äppelwoi oder den gleichnamigen Würstchen dem Statement über die alte Heimat einen doppelbödigen Stempel aufgedrückt: „In einer Stadt wie Frankfurt befindet man sich in einer wunderlichen Lage, immer sich kreuzende Fremde deuten nach allen Weltgegenden hin und erwecken Reiselust.“

Schon mehr als 200 Jahre her, aber immer noch wahr, wenn auch nicht ganz so schlimm wie in Nürnberg. Das muss man sich als Franke zerknirscht und niedergeschlagen eingestehen… Aber so sind sie halt in der Äppelwoi-Metropole, Defizite und Mängel werden einfach weggelächelt und im nächsten Atemzug babbelt sich der Hesse schon wieder um Kopf und Kragen. Dabei legen sie keine Zurückhaltung an den Tag, besonders wenn es um ihre Furt am Main geht, da sind sie nicht mehr im Zaum zu halten, sie leben einfach in einer Metropole. Obwohl Rhein-Ruhr (fast 11 Mio.), das Rheinland (9 Mio.), Berlin-Brandenburg (6,5 Mio.) oder auch München (6 Mio.) mehr Einwohner haben als Rhein-Main (5,7 Mio.). Da schidd‘ der Hesse kaa Wasser in de Maa und reißt sein Maul auf wie e Scheuertor und der Handkäs iss gesse, dass Rhein-Neckar ja eigentlich auch zu Frankfurt zähle: Und schon liegt Frankfurt auf Platz 3 (8 Mio.), wenigstens deutschlandweit. Und wenn man fraport dazu zählt… Um auch noch einmal den Geheimrat zu Worte kommen zu lassen, der weltbekannt und meistzitiert selbst den Vergleich mit La Serenissima, ihrer Erhabenheit von Venedig, nicht scheut: „Ich darf mich wohl rühmen, Bürger einer Republik zu sein, welche zwar an Macht und Größe dem erlauchten Staat von Venedig nicht verglichen werden kann, aber doch auch sich selbst regiert und an Handelstätigkeit, Reichtum und Weisheit ihrer Vorgesetzten keiner Stadt in Deutschland nachsieht.“

Ähnlich wie in Nürnberg und Fürth gehen die Stadtgrenzen in Frankfurt am Main und Offenbach nahtlos, unmerklich ineinander über, die Menschen hier wie dort sind aber nicht die gleichen. Persönlich muss ich leider zugeben – sagen Sie das bloß nicht den Nürnberger Bratwürstchen, dass es mir in der Stadt am Main wirklich wirklich gut gefällt. Nur die amtlichen Kennzeichen spielen ein bisschen Buffo, erheben den einen zum Krösus und machen den anderen zum Hanswurst: F – OF. Fehlte nur noch ein F…, und der Bieberer Berg stünde vollends abseits der Scheinwerfer. Fasst man eyepollution ins Auge, kann Frankfurt am Main es zwar nicht mit Berlin aufnehmen, doch der Brenner würde sicher den Hessen zu Hilfe kommen: in Wien z‘haus, aber ob du es glaubst oder nicht, am Main quasi zweite Heimat. Fantasie, Lokalkolorit, grüne Soße, de Schobbe in de Kobb. Und Münix, die angebliche Weltstadt mit Herz? Kein Vergleich, egal wie: eyepollution, underground, diversitymäßig.

Selbst der weiß-blaue Fußball, Verzeihung: sogar der rote, bleibt neben dem schwarz-weißen seltsam blass und blutarm. Frankfurt am Main ist voll auf Champions League Niveau: Eine Stadt, ein Verein. Zwar scheint auch da, wie Goethe bereits bemerkt hat, der Widerspruch aufzublitzen zwischen Großtönertum und auf’m Platz – die Bayern holen zehn- oder elfmal hintereinander den Meistertitel, sechs Mal die Champions League – doch Europa League Triumph, Pokalsieg oder den Roten einen Bembel eingeschenkt im Riederwald, das ist ein Nonplusultra: L‘ Europe est à nous, pas á vous, FC Bayern! Ganz abgesehen von völlig unterschiedlichen Gefühls-, Stimmungs- und Tonlagen im Vergleich zwischen Allianz- und Deutsche Bank Arena. Übertreibung, Ekstase, selbst zweideutiger Siegestaumel übertreffen die Babbsäck noch durch ihre Treue, Intensität und Lautstärke: für immer Waldstadion. Zu allem entschlossen, die besten Fans der Welt: Black & White. Always on my mind. Auch in Krisen gilt Stepanović: Lebbe geht weider, straight outta Stadtwald. Und sowieso: S.G.E. Fuck Tha Police! Für immer Jay-Jay, Uwe, Anthony, Mauricio, Bindewald oder Uli Stein.

P.S.: Normalerweise, das haben Sie vielleicht irritiert festgestellt, bleibt die (ehemals) schönste Nebensache der Welt hier (City) außen vor. Muss ja schließlich nicht sein, dass die Hälfte der Menschheit mit dem roten Tuch gereizt wird und sich angeekelt abwendet, so nach dem Motto: Fußball? Kann ich nix mit anfangen! Lassen Sie mich bloß damit in Ruhe! Ein absolutes No-Go! Angesichts der Tatsache, dass in Frankfurt auch die negativ gegenüber O Jogo Bonito eingestellte Hälfte der Bevölkerung die SG Eintracht, wenn nicht liebt, so doch ins Herz geschlossen hat, den Marketing-Effekt der Auswärtsfahrt nach Katalanien, Kult und Hype der Überraschung zu schätzen wissen, als die Schwarz-Weißen die Hoheit über das Camp Nou übernommen und Barça mit 2:3 den Rest gegeben haben, oder nur die Frankfurter Lebensart genießen, zu der Äppelwoi, grüne Soße und die Eintracht einfach gehören. Und weil auch ich den Adlern v.a. mit dem großartigen Super-Mario Götze in ihren Reihen gerne zusehe, selbst im Kater nach dem berauschenden Höhepunkt 2022, als die Glasner-Elf in Sevilla unaufhaltsam durchs Elfmeterschießen marschierte (5:4) und den Fluch von Adolf Hüttler drei Jahre zuvor im Halbfinale an der Stamford-Bridge (4:5 EF) vergessen machte. Auch deshalb sind Abbildungen von Fußball-Aufklebern, hier im speziellen von der Frankfurter Sportgemeinde Eintracht 1899, nicht dort auf eyepollution.com/Gallery/foot zu finden, sondern hier auf diese Seite gestellt (eyepollution.com/City/Frankfurt).