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In space no one can hear you cry

Subkultur ist morgen schon wieder Mainstream

Der öffentliche Raum, unendliche Weiten, öd und leer, total dem Kommerz ausgeliefert. Wir schreiben das Jahr 2017, Abenteuer existieren nur noch im Untergrund, wenn das Raumschiff der Street-Art landet. Dann schleichen Zombies und Kreative aus der kapitalistischen Zentrale nachts umher, sind auf den Straßen unterwegs, um die Außerirdischen aufzustöbern, ihre Sprache zu erforschen, fremde Subkultur aufzusaugen. Um neuen Atem in die alte Welt der Werbung zu bringen, die Zivilisation zurück auf Kommerz zu bürsten, dem Leben der Anderen mit ihren Adaptionen und Klonen visuell Laune einzuhauchen. Viele Lichtjahre vom Planeten Straßenkunst entfernt, dessen Pracht und Reichtum nie zuvor gesehen. So bemächtigen sich Kommerz und Überfluss der Kunst in der freien Welt, kein Manager hätte sich das in seinen kühnsten Vorstellungen besser ausdenken können: „Ich bewundere die konzeptionelle Reinheit. Geschaffen, um zu überleben. Es kennt keine Schuld, oder Wahnvorstellungen ethischer Art“ (Ash, in: Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt, Ridley Scott, GB/USA 1979, 117 Minuten).

Die Kommunikation auf den Klebebildchen gefällt mit urbaner Wildnis, innovativen Kicks und kunterbunten Stills: die Sprache ironisch, poetisch, frech und flippig, die Inhalte vielschichtig, vielgestaltig, viel mal viel mal viel. Mit Street-Art verdient sich aber wenig bis keine Kohle, nein, nicht in diesem freien, flüchtigen Medium: nicht mit Aufklebern, die Botschaften und Inhalte verbreiten, im öffentlichen Raum intervenieren, für das Gute kämpfen. „Ich kann Ihnen nichts vormachen, was Ihre Chancen angeht. Aber: Sie haben mein Mitgefühl“ (Ash, ebda.). Die Flut von Klebebildern, die über den Außenraum der Innenstädte hereingebrochen ist, nervt ganz gewaltig: platte Werbung, Merchandising, hunderttausend Mal geklebt, wie aus dem Untergrund, dennoch Kopie, geklautes Lebensgefühl, simulierte Affektivität.

Riesenkraken wie Nike, Coca Cola oder adidas steigen aus den tiefsten Tiefen des Kapitalismus herauf, ihre Vampire saugen Sprüche auf, schrägen Stil, adaptieren Resonanz und Reichweite. Spione verhaften die Robin Hoods der Straße, verschlingen ihre neuen Botschaften, nehmen Konzepte auf, klauen Ideen, verleiben sich Profite ein, um damit wieder in die Tiefen ihres Geldspeichers zu verschwinden. Nicht wie die Street-Art in die kriminelle Ecke gedrängt bemächtigen sich diese feindlichen U-Boote also Stück für Stück des öffentlichen Raums. „Sie scheinen immer noch nicht zu begreifen, womit sie es zu tun haben: Mit dem perfekten Organismus“ (Ash, ebda.). Quadratzentimeter für Quadratzentimeter reißen deren Agenten sich unter den Nagel, nisten sich Werbeplatz um Werbeplatz dort ein: die Außenwelt in Beschlag genommen, das öffentlich zugängliche Gemeingut verpfändet, die Phantasie in Geiselhaft, um jedem Einzelnen in den Kopf zu kriechen.

So herum versucht Street-Art einfach nur, das Bekenntnis zum öffentlichen Raum zu retten, den jeder (kaum mehr) sehen kann und doch ertragen muss, das Verständnis, dass Privateigentum die Schnittstelle zur Außenwelt darstellt – und dieses Eigentum verpflichtet. Andersherum – und damit in den Buchstaben des Gesetzes – sind Eingriffe, nachhaltige Umgestaltung der öffentlichen Sphäre in aller Regel verboten: Graffiti, Straßenmalerei, Plakatierung, wilde Sticker werden verfolgt und durch die Justiz gnadenlos geahndet. „Ash ist ein Roboter. Ash ist ein gottverdammter Roboter! Zum Kotzen!“ (Dennis Monroe Parker, Alien, ebda.). Wer da wessen Bewusstsein gestaltet? Wo und ob das in öffentlichem Interesse geschieht? Wer von uns allen verschandelt denn nun eigentlich den öffentlichen Raum?