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Registered Trade Mark

Immer mehr ist immer weniger

Mit einem Zeitungsstand in der Altstadt von Modena hat alles begonnen, im Jahr 1945. Und noch einmal 16 Jahre später fand das Unternehmen dann seine Bestimmung: mit Sammelbildern italienischer Fußballmannschaften. Als Erfinder eines der ersten Merchandising-Goldeseln im Fußball gilt der Verleger Franco Cosimo Panini. Seit 1961 gibt sein Verlag die Bildchen zur Seria A, der Ersten italienischen Liga heraus. Die Sticker sind zum Einkleben ins Album und werden in Tüten zu fünf Stück gehandelt. Auf den Schulhöfen rund um den Globus sind die vielen doppelten Bilder wichtiges Thema von Tauschgeschäften bei den eifrigen jungen Sammlern, besonders vor und während der großen kontinentalen Turniere. Heute erreicht Panini alte und junge Fußballfans in aller Welt und ist mit dieser Art von Druckerzeugnissen zum Weltmarktführer aufgestiegen. Die Klebebildchen mit den Fußballern drauf finden sich ja auch (aufgeklebt) in allen Städten, auf allen Wänden des Erdballs, eingeklebt in die Sammelalben aller Ligen dieses Universums. Allein bei der WM 1974 in Deutschland (FIFA Fußball-Weltmeisterschaft Deutschland 1974™) wurden 800 Mio. Stück verkauft. Beckenbauer, Müller, Maier & Co. waren nach ihrem Coup gegen Oranje gern gesehen, auch und vor allem überall, worauf sie sich kleben ließen. Zur FIFA Frauen-WM in Kanada 2015™ (Trade Mark bloß nicht vergessen!!!) brachte die Panini S.p.A. zum ersten Mal das andere Geschlecht auf die Bildchen. Von 24 Doppelseiten à 17 Fußballerinnen (insgesamt 478) lächelten nun auch Mädchen und bald auch von überall herab, dem Fußballinteressierten und allen anderen ins Gesicht.

Fan-Aufkleber sind fester Bestandteil im Merchandising aller Vereine, in sämtlichen kommerzialisierten Fußballigen auf dieser Kugel, die sich zwar Erdenrund nennt und doch nur um den Fußball dreht. Die Produkte des Champions aus Italien schafften es bis ins Kunstmuseum (u.a. c/o berlin, in die Tate Gallery of Modern Art, London, ins Museu Calouste Gulbenkian, Lisboa) und werden bei den wahren Freaks als heiße Ware auf Ebay gehandelt. Immer, wenn die Spannung steigt und in Europa oder global gesehen um Siegespokale gespielt wird, sind die Straßen wie leer gefegt, auch Klebebildchen machen sich dann in der Öffentlichkeit rar. Um die Sammelalben voll zu kriegen, hält man doppelte und dreifache Exemplare lieber zurück. Um zu tauschen statt zu kleben, so die Devise in Zeiten, wenn Fußball die Welt regiert. Ist das Finale vorbei, finden sich die Konterfeis wieder überall, wo Platz zum Kleben ist.

Zum Beispiel Uwe Seeler, wie von Hand retuschiert, unverwechselbar im Sammelalbum der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft Mexiko 1970™: „Auf dem Bild befindet sich im Hintergrund ein Mann, der aussieht wie Salvador Allende.“ Wappen, Mannschaftsfoto, 11 Spielerbildchen, 16 Teams insgesamt, das war’s bei der WM in Mexiko. „Danach hat Panini die Ausweitung der WM schon vorweggenommen“, zieht Holger Gertz in der Süddeutschen Zeitung den Vergleich zwischen Aufstockung der WM und der Dicke des WM-Sammelalbums. Und 2026, mit 48 Mannschaften „kleben sich die Leute einen Wolf. 1400 Bilder sind ein Irrsinn.“ Gertz‘ Fazit ist nicht nur aus dem Herzen eines Fußball-Romantikers gesprochen, sondern kratzt am Größenwahn der Branche: Überfüttern verboten! Am Beispiel der Cardbord Gods, Josh Wilkers Buch über seine Basketballer-Bildchen-Sammlung, schwärmt Gertz für die abseitigen Details dieses Sammelticks, Dinge, die sehr, sehr schön sind, Uwe Seeler zum Beispiel und der angebliche Salvador Allende in Mexiko zusammen auf einem Bild. Andere fallen aber sehr hässlich aus, zum Beispiel ein Mammut von einer WM oder eines Fußballalbums, das so keiner haben möchte. Eine aufgeblasene Weltmeisterschaft, so Gertz, zieht alles herunter, was damit zu tun hat. Nach dem Turnier wird man dann das halb volle Album „auf Ebay einstellen und 5,80 Euro dafür kriegen. Allein das Uwe-Seeler-Sammelbild von 1970, mit Salvador Allende im Hintergrund, hat neulich 44 Euro gebracht.“

Letzte Meldung 04/2022: Für Panini ist der Spaß in Europa vorbei. Nach über vier Jahrzehnten der Zusammenarbeit übernimmt zur EM 2024 in Deutschland ein amerikanisches Unternehmen das Geschäft. Der Süßigkeitenriese begann in den 50ern mit Sammelbildern als Beilage für Bazooka-Kaugummis, zunächst mit Film- und TV-Stars, es folgten Spieler aus dem Baseball. Topps Now® bannt auch schon die Spieler der Bundesliga, der Premier League und der Major League Soccer sowie der Champions League aufs Bildchen. Das Gesicht der EM-Kampagne wird laut Topps Ltd-Marketing im englischen Milton Keyes „The Special One“ sein, die umstrittene portugiesische Trainer-Legende José Mourinho.